Rechtsgrundlose Überzahlungen der Besoldungs- und Versorgungsbezüge können auch dann zurückgefordert werden, wenn die Bereicherung weggefallen ist. Voraussetzung dafür ist, dass der Fehler der Überzahlung so offensichtlich war, dass er hätte erkannt werden müssen.
1. Fallgestaltungen
Insbesondere in folgenden Fällen kann es zu rechtsgrundlosen Überzahlungen der Dienst- oder Versorgungsbezügen kommen, die der Dienstherr zurückfordern möchte:
- Bei Fehlern der Berechnung oder der Auszahlung von Dienst- oder Versorgungsbezügen, die zu rechtsgrundlosen Überzahlungen führen. Entweder versäumt es die anordnende Stelle, besoldungs- oder versorgungsrelevante Veränderungen der auszahlenden Kasse
mitzuteilen, oder es kommt bei der auszahlenden Kasse zu Eingabe- oder Computerfehlern. - Bei Abschlagszahlungen oder Vorbehaltszahlungen der Besoldung oder Versorgung. Ergibt die endgültige Festsetzung der Leistungen, dass die Abschlagszahlungen zu hoch waren oder stellt sich im Nachhinein heraus, dass die Vorbehaltszahlungen rechtsgrundlos geleistet wurden, ergeben sich rechtsgrundlose Überzahlungen.
- Bei gekürzten oder entzogenen Dienst- oder Versorgungsbezügen, die aufgrund der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage vorläufig in unveränderter Höhe weitergezahlt werden. Wird dem Widerspruch nicht stattgegeben und der Widerspruchsbescheid bestandskräftig oder die Klage durch rechtskräftiges Urteil abgewiesen, entfällt der vorläufige Rechtsgrund für die weitergezahlten Dienst- oder Versorgungsbezügen rückwirkend, so dass eine rechtsgrundlose Überzahlung vorliegt.
- Bei der vorläufigen Weitergewährung von Dienstbezügen nach der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf oder Probe aufgrund der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage. Wird dem Widerspruch nicht stattgegeben und der Widerspruchsbescheid bestandskräftig oder wird die Klage durch rechtskräftiges Urteil abgewiesen, entfällt der vorläufige Rechtsgrund für die über den Zeitpunkt der Entlassung hinaus geleisteten Dienstbezüge rückwirkend mit der Folge einer rechtsgrundlosen Überzahlung.
- Bei Versetzungen in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit, wenn im Wege einer einstweiligen Anordnung die Weitergewährung der Dienstbezüge bis zu einer bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung über Widerspruch oder Anfechtungsklage angeordnet wurde. Wird dem Widerspruch nicht stattgegeben und der Widerspruchsbescheid bestandskräftig oder wird die Klage durch rechtskräftiges Urteil abgewiesen, entfällt der vorläufige Rechtsgrund der einstweiligen Anordnung rückwirkend mit der Folge einer rechtsgrundlosen Überzahlung.
2. Anspruchsgrundlage für die Rückforderung
Eine Rückforderungsregelung für rechtsgrundlos geleistete Besoldung enthält für den Bundesbereich § 12 Abs. 2 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG). Diese Vorschrift ist lex specialis gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch und gegenüber § 49a Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG). Für die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge verweist § 12 Abs. 2 BBesG auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB).
Der Vorschrift des § 12 Abs. 2 BBesG entsprechende Regelungen enthalten § 52 Abs. 2 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) und § 49 Abs. 2 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) für die Rückforderung überzahlter Versorgung. Auch die Länder sehen für Überzahlungen in der Besoldung und Versorgung entsprechende gesetzliche Verweisungen auf die Rechtsfolgen der §§ 812 ff. BGB vor.
3. Voraussetzungen des Rückforderungsanspruchs
Ein Rückforderungsanspruch nach § 12 Abs. 2 BBesG oder nach § 52 Abs. 2 BeamtVG hängt von folgenden Voraussetzungen ab:
a) Überzahlung ohne rechtlichen Grund
Es muss eine Überzahlung ohne rechtlichen Grund vorliegen. Diese liegt vor, wenn der ausgezahlte Betrag im Widerspruch zum geltenden Besoldungs- oder Versorgungsrecht steht. Ergibt sich die Überzahlung aus einem besoldungs- oder versorgungsrechtlichen Festsetzungsbescheid (Verwaltungsakt), bildet dieser einen Rechtsgrund für die Überzahlung, auch wenn er dem Besoldungs- oder Versorgungsrecht widerspricht. Die Überzahlung kann erst dann Gegenstand einer Rückforderung sein, wenn der Festsetzungsbescheid nach den §§ 48 ff. VwVfG zurückgenommen worden ist. Eine bloße Besoldungs- oder Versorgungsmitteilung stellt keinen Festsetzungsbescheid dar.
b) Einrede des Wegfalls der Bereicherung
Die Rückforderung einer Überzahlung ist ausgeschlossen, wenn die Bereicherung weggefallen ist (§ 818 Abs. 3 BGB) und die Beamtin oder der Beamte dies im Wege der Einrede geltend macht. Bei relativer Geringfügigkeit des monatlichen überzahlten Betrages und bei längerem Überzahlungszeitraum ist anzunehmen, dass die Beamtin oder der Beamte die Überzahlung im Rahmen der normalen Lebensführung verbraucht hat und damit nicht mehr bereichert ist (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) v. 26.4.2012 — 2 C 4.11 -, Rn. 8; OVG Nordrhein-Westfalen v. 2.5.2013 — 1 A 2045/ 11 -, Rn. 31 f.). Nach der Verwaltungsvorschrift zu § 12 BBesG (BBesGVwV) Nr. 12.2.12 kann „ohne nähere Prüfung der Wegfall der Bereicherung unterstellt werden, wenn die im jeweiligen Monat zuviel gezahlten Bezüge 10 v.H. des insgesamt zustehenden Betrages, höchstens 150 € nicht übersteigen“.
c) Verschärfte Haftung bei Kenntnis oder Offensichtlichkeit des fehlenden Rechtsgrundes
Die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung ist ausgeschlossen, wenn die Beamtin oder der Beamte den Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung kennt oder später erfährt (§ 819 Abs. 1 BGB). Nach § 12 Abs. 2 S. 2 BBesG oder § 52 Abs. 2 S. 2 BeamtVG steht der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, das die Beamtin oder der Beamte ihn hätte erkennen müssen. Liegen einer dieser beiden Umstände vor, kann sich die Beamtin oder der Beamte nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen.
Die Frage, ob der Mangel „offensichtlich“ war, hat vor allem Bedeutung, wenn die rechtsgrundlose Überzahlung auf einem Berechnungsfehler oder einem maschinellen Fehler beruht.
Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG ist der Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung dann offensichtlich, „wenn der Empfängerin oder der Empfänger die Überzahlung nur deshalb nicht bemerkt hat, weil sie oder er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat oder — mit anderen Worten — sie oder er den Fehler etwa durch Nachdenken oder logische Schlussfolgerung hätte erkennen müssen“. Letztlich liegt Offensichtlichkeit dann vor, wenn der Mangel des rechtlichen Grundes für die Empfängerin oder den Empfänger gemessen an ihren oder seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten ohne weiteres erkennbar ist (BVerwG v. 26.4. 2012 — 2 C 4.11 -, Rn. 10, juris und BVerwG v. 26.4.2012 — 2 C 15.10 -, Rn. 16, NVwZ-RR 2012, 930).
Zu den Sorgfaltspflichten der Beamtinnen und Beamten gehört es aufgrund ihrer beamtenrechtlichen Treuepflicht, die Besoldungs- oder Versorgungsmitteilungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten. Das gilt insbesondere auch bei besoldungsrelevanten Änderungen im dienstlichen oder persönlichen Bereich wie z. B. dem Wegfall von Zulagen wegen Änderung der Verwendung der Beamtin oder des Beamten. Beamtinnen und Beamte dürfen sich insbesondere dann, wenn sie ohne erkennbaren Grund höhere Leistungen erhalten, nicht ohne weiteres auf die Rechtmäßigkeit der Zahlung verlassen. „Offensichtlichkeit“ liegt vor, wenn der Beamtin oder dem Beamten aufgrund ihrer oder seiner Kenntnisse auffallen muss, dass die ausgewiesenen Beträge nicht stimmen können. Ihr oder ihm muss sich aufdrängen, dass die Besoldungsmitteilungen fehlerhaft sind. Nicht ausreichend ist, wenn nur Zweifel bestehen und es einer Nachfrage bedarf (BVerwG v. 26.4.2012 — 2 C 4.11 -, Rn. 11, juris und BVerwG v. 26.4.2012 — 2 C 15.10 -, Rn. 17, NVwZ-RR 2012, 930). Nach der BBesGVwV zu § 12 BBesG Nr. 12.2.14 lässt die Beamtin oder der Beamte die erforderliche Sorgfalt aber dann in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht, wenn sie oder er es versäumt, die Zweifel durch Rückfragen bei der zahlenden Kasse oder der anordnenden Stelle auszuräumen. Bei maschinellen Berechnungen erstreckt sich die Prüfungspflicht auch darauf, Schlüsselzahlen anhand übersandter Erläuterungen zu entschlüsseln.
Die Rechtsprechung stellt bei der Frage, ob eine Sorgfaltspflichtverletzung vorliegt, auf die Ausbildung und die damit verbundenen Kenntnisse der jeweiligen Beamtinnen und Beamten im Beamten‑, Besoldungs- und Versorgungsrecht ab. Von juristisch vorgebildeten oder mit beamten‑, besoldungs- oder versorgungsrechtlichen Fragen befassten Beamtinnen und Beamten sind weitergehende Kenntnisse vorauszusetzen als z.B. von einer Beamtin oder einem Beamten im mittleren Dienst.
Unter diesen Voraussetzungen hat die Rechtsprechung z.B. in folgenden Fällen eine verschärfte Haftung nach § 819 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 12 Abs. 2 S. 2 BBesG oder § 52 Abs. 2 S. 2 BeamtVG wegen Verletzung der Sorgfaltspflichten der Zahlungsempfängerinnen oder ‑empfänger angenommen:
- Verringerung des Familienzuschlages wegen eines entstandenen entsprechenden neu entstandenen Anspruchs der Ehepartnerin oder des Ehepartners aus einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach § 40 Abs. 4 BBesG (BVerwG v. 26.4.2012 — 2 C 4.11 -, Rn. 12, juris ).
Wegfall einer erhöhten Wechselschichtzulage nach der Erschwerniszulagenverordnung (BVerwG v. 26.4.2012 — 2 C 15.10 -, Rn. 18, NVwZ-RR 2012, 930; VG Saarlouis v. 25.2.2014 — 2 K 666/12 -). - Zahlung einer falschen Fliegerzulage nach Nr. 6 S. 1 der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B der Anlage I zum BBesG (OVG Nordrhein-Westfalen v. 2.5.2013 — 1 A 2045/11 -, Rn. 42 ff.).
- Kürzung der Versorgungsbezüge nach der Ehescheidung nach § 57 BeamtVG (Niedersächsisches OVG v. 19.8.2014 — 5 LA 85/14 -, Rn. 5).
Zahlung der Sicherheitszulage nach Nr. 8 der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B der Anlage I zum BBesG statt der niedrigeren Polizeizulage nach Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B der Anlage I zum BBesG (OVG Nordrhein-Westfalen v. 15.10.2014 — 1 A 2375/12 -, Rn. 40). - Zahlung eines doppelten Unfallausgleichs (Niedersächsisches OVG v. 20.3.2015 — 5 LA 139/14 -, Rn. 18, openJur 2015, 6756).
Dagegen verneinte das OVG Nordrhein-Westfalen, dass alle Beamtinnen und Beamte die Vorschrift des § 40 Abs. 6 S. 3 BBesG, nach der Tätigkeiten bei einer sonstigen Arbeitgeberin oder einem sonstigen Arbeitgeber einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst gleichgestellt werden, und deren Auswirkungen auf kinderbezogene Anteile im Familienzuschlag kennen müssen (OVG Nordrhein-Westfalen v. 15.10.2014 – 1 A 2375/12 -, Rn. 53 ff.).
d) Verschärfte Haftung bei Vorbehaltszahlungen
Die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung ist ferner — unabhängig von der verschärften Haftung bei Kenntnis oder Offensichtlichkeit des fehlenden Rechtsgrundes — ausgeschlossen, wenn Besoldungs- oder Versorgungsbezüge ausdrücklich unter Rückforderungsvorbehalt oder als Abschlag oder Vorschuss gezahlt wurden. Das ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des § 820 Abs. 1 BGB. Das gilt auch, wenn Zahlungen unter einem gesetzesimmanenten oder ausdrücklichen gesetzlichen Vorbehalt stehen.
Bei der Rückforderung von Überzahlungen ist die Haftung mit der Möglichkeit der Berufung auf einen Wegfall der Bereicherung, ergänzt durch die unbeschränkte Haftung bei Offensichtlichkeit des Mangels, die gesetzliche Regel. Ausnahmen davon — durch entsprechende Anwendung des mangels eines Rechtsgeschäftes nicht unmittelbar anwendbaren § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB — bedürfen einer besonderen Rechtfertigung und dürfen nicht zur Umkehrung der gesetzlichen Regel führen (BVerwG v. 28.2.1985 — 2 C 16/84 -, Rn. 19, BVerwGE 71, 77; Niedersächsisches OVG v. 7.8.2013 — 5 LA 291/12 -, Rn. 6, openJur 2013,33643; OVG Nordrhein-Westfalen v. 15.10.2014 — 1 A 2375/12 -, Rn. 64, openJur 2014, 24216).
Solche Ausnahmen erkennt das BVerwG in ständiger Rechtsprechung insbesondere für folgende Fallgestaltungen an:
- Die Verwaltung stellt Leistungen unter einen Rückforderungsvorbehalt, der die besonderen Anforderungen der Rechtsprechung an Zulässigkeit und Wirksamkeit solcher Vorbehalte erfüllt.
- Der Anspruch auf Dienstbezüge, die nach § 3 Abs. 4 BBesG monatlich im Voraus gezahlt werden, steht unter dem gesetzlichen Vorbehalt des Fortbestehens des Dienstverhältnisses in dem Zeitraum, für den die Bezüge im Voraus gezahlt wurden wie auch unter dem Vorbehalt des Verlustes bei ungenehmigtem schuldhaftem Fernbleiben vom Dienst nach § 9 BBesG (BVerwG v. 21.10.1999 — 2 C 27/98 -, Rn. 27 und 37, BVerwGE 109, 357).
- Festsetzung und Zahlung von Versorgungsbezügen stehen unter dem gesetzesimmanenten Vorbehalt von Ruhensberechnungen nach den §§ 53 ff. BeamtVG wegen rückwirkender Gewährung oder nachträglichen Bekanntwerdens anzurechnender anderweitiger Bezüge oder sonst anzurechnenden anderweitigen Einkommens der Versorgungsempfängerin oder des Versorgungsempfängers (BVerwG v. 24.9.1992 — 2 C 18/91 -, Rn. 19, BVerwGE 91, 66; Niedersächsisches OVG v. 7.8.2013 — 5 LA 291/12 -, Rn. 6, openJur 2013,33643). Voraussetzung dafür ist, dass die Ruhensberechnungen keinen endgültigen Charakter haben, sondern den Vorbehalt einer späteren Änderung in sich tragen und dass den Versorgungsempfängerinnen und ‑empfängern als Empfänger beider Bezüge die Änderung der anzurechnenden Bezüge typischerweise bekannt ist und sie davon ausgehen müssen, dass die Änderung der einen Bezüge eine Änderung der anderen Bezüge zur Folge haben kann. Dagegen unterliegen Bezüge, bei denen sich auf Dauer Änderungen der tatsächlichen Voraussetzungen ergeben, keinem gesetzesimmanenten Rückforderungsvorbehalt; sie führen zu keiner verschärften Haftung nach § 820 Abs. 1BGB.
- Bezüge werden wegen der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage bis zur Bestandskraft eines ablehnenden Widerspruchsbescheids oder der Rechtskraft des klageabweisenden Urteils vorläufig weitergezahlt. In diesen Fällen stehen die Zahlungen von vornherein unter dem gesetzlichen Vorbehalt des rückwirkenden Wegfalls des Leistungsgrundes bei Eintritt der Bestandskraft der Verfügung (BVerwG v. 25.11.1985 — 2 C 12.81 -, Rn. 14 f., NJW 1983, 2042; BVerwG v. 21.10.1999 — 2 C 11/99 -, Rn. 29, BVerwGE 109, 365).
Bejaht wurde ein zu berücksichtigender Vorbehalt dagegen bei der Anrechnung von Verwendungseinkommen auf die Versorgungsbezüge (BVerwG v. 24.11.1966 — II C 119.64 -, Rn. 24, BVerwGE 25, 291) und bei der Anrechnung einer fiktiven Altersrente auf die Versorgungsbezüge (Niedersächsisches OVG v. 7.8.2013 — 5 LA 291/12 -, Rn. 13, openJur 2013, 33643) ferner bei der Zahlung von Dienstbezügen unter dem Vorbehalt späterer Änderung im Rahmen einer Übergangsregelung aufgrund der gesetzlichen Einführung von Erfahrungsstufen (Niedersächsisches OVG v. 29.7.2013 — 5 LA 275/12 -, Rn. 23 ff., openJur 2013, 32169).
Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist allerdings in außergewöhnlich gelagerten Fällen, bei denen besondere Umstände nach Treu und Glauben dies gebieten, trotz verschärfter Haftung entsprechend § 820 Abs. 1 BGB der Wegfall der Bereicherung durch den Verbrauch der Bezüge zum Lebensunterhalt zu berücksichtigen (BVerwG v. 24.11.1966 — II C 119.64 — Rn. 25, BVerwGE 25, 291; BVerwG v. 25.11.1982 — 2 C 12.81 -, Rn. 16, NJW 1983, 2042). Dies ist z. B. der Fall, wenn die zurückgeforderten Bezüge für die Sicherung des Lebensunterhalts der Familie unabdingbar waren oder der Dienstherr den Rückforderungsanspruch nicht unverzüglich geltend gemacht hat.
e) Verjährung des Rückforderungsanspruchs
Ein Rückforderungsanspruch nach § 12 Abs. 2 S. 1 BBesG oder § 52 Abs. 2 S. 1 BeamtVG verjährt nach drei Jahren (§ 195 BGB). Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). Bei Behörden oder öffentlichrechtlichen Körperschaften ist dabei auf die Kenntnis der verfügungsberechtigten Behörde abzustellen. Verfügungsberechtigt sind diejenigen Behörden, denen die Entscheidungskompetenz für den Rückforderungsanspruch zukommt, wobei die behördliche Zuständigkeitsverteilung zu respektieren ist (BVerwG v. 26.4.2012 — 2 C 15.10 -, Rn 21, NVwZ-RR 2012, 930).
Grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Dabei ist die zuständige Behörde im Allgemeinen nicht verpflichtet, im Interesse der betroffenen Beamtinnen oder Beamten an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben. Vielmehr muss das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falles als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden der Behörde bejahen zu können (Niedersächsisches OVG v. 20.3.2015 — 5 LA 139/14 -, Rn. 29 f., openJur 2015, 6756).
4. Billigkeitsentscheidung
Von der Rückforderung kann aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise abgesehen werden (§ 12 Abs. 2 S. 3 BBesG. § 52 Abs. 2 S. 3 BeamtVG). Die Entscheidung liegt im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde.
a) Zweck der Billigkeitsentscheidung
Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG bezweckt eine Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG, eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für die Beamtin oder den Beamten tragbare Lösung, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse eine maßgebende Rolle spielen. Dabei ist maßgeblich auf die Situation im Zeitpunkt der Rückabwicklung abzustellen. Die Billigkeitsentscheidung ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben und stellt eine sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung dar, sodass sie vor allem in Fällen der verschärften Haftung von Bedeutung ist (BVerwG v. 25.11.1982 — 2 C 12.81 -, Rn. 17, NJW 1983, 2042; BVerwG v. 26.4.2012 — 2 C 4.11 -, Rn. 18, juris; BVerwG v. 26.4.2012 — 2 C 15.10, Rn. 24, NVwZ-RR 2012, 930).
Bei der Billigkeitsentscheidung ist von besonderer Bedeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden dafür ursächlich war. Ein Mitverschulden der Behörde an der Überzahlung ist in die Ermessensentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG einzubeziehen.
b) Verringerung des Rückforderungsbetrags um 30% nach neuerer Rechtsprechung des BVerwG
Nach neuerer Rechtsprechung des BVerwG (BVerwG v. 26.4.2012 — 2 C 4.11 -, Rn. 18, juris; BVerwG v. 26.4.2012 — 2 C 15.10, Rn. 25 f., NVwZ-RR 2012, 930) erscheint ein Absehen von der Rückforderung in der Größenordnung von 30 % des überzahlten Betrages unter folgenden Voraussetzungen als angemessen:
- Der Grund für die Überzahlung liegt in der überwiegenden behördlichen Verantwortung, d.h. überwiegendes Mitverschulden der Behörde ist Ursache für die Überzahlung. Die Überzahlung beruht z.B. auf einem Fehler des Computersystems oder einem Eingabefehler, wobei der Fehler auch bei nachfolgenden Kontrollen oder Eingaben oder über einen langen Zeitraum unbemerkt blieb.
- Die Beamtin oder der Beamte hat nur einen untergeordneten Verursachungsbeitrag für die Überzahlung gesetzt, z.B. indem sie oder er den Fehler trotz Offensichtlichkeit nicht bemerkte.
- Die Beamtin oder der Beamte ist entreichert, kann sich aber auf den Wegfall der Bereicherung wegen Offensichtlichkeit des fehlenden Rechtsgrundes nicht berufen.
c) Fallgestaltungen außerhalb des Anwendungsbereichs der neueren Rechtsprechung
Die neuere Rechtsprechung des BVerwG findet keine Anwendung, wenn die Beamtin oder der Beamte z.B. durch falsche oder fehlerhafte Angaben die überwiegende Ursache für die Überzahlung gesetzt hat (Niedersächsisches OVG v. 3.3.2014 — 5 LA 286/13 -, Rn. 23, openJur 2014, 5622). Das gilt auch für die Rückforderung von unter einem Vorbehalt stehenden Zahlungen. In Vorbehaltsfällen liegt die wesentliche Ursache der Überzahlung weder in einem fehlerhaften Verhalten der Behörde noch in einem sorgfaltswidrigen Verhalten der Beamtin oder des Beamten, sondern in dem Umstand, dass der Wegfall des Rechtsgrundes zunächst ungewiss ist (Niedersächsisches OVG v. 29.7.2013 — 5 LA 275/12 -, Rn. 32, openJur 2013, 32169; Niedersächsisches OVG v. 7.8.2013 — 5 LA 291/12 -, Rn. 27, OpenJur 2013, 33643; BVerwG v. 1.9.2014 — 5 LA 240/13 -, Rn. 25, openJur 2014, 20110).
Nach Auffassung des Niedersächsischen OVG findet die neuere Rechtsprechung des BVerwG auch bei Überzahlungen im Rahmen der Massenverwaltung, deren Ursache in einem Fehler des behördlich verwendeten Computersystems oder in einem Eingabefehler liegt, grundsätzlich keine Anwendung. Bei derartigen Überzahlungen sei allenfalls von einem ganz geringfügigen Verschulden auf Seiten der Behörde auszugehen, sofern keine verschärfenden Umstände hinzutreten. Für sich genommen reichten solche Fehler nicht aus, um eine Verringerung des Rückforderungsbetrags aus Gründen der Billigkeit rechtlich geboten erscheinen zu lassen. Bei automatisierten Verfahren sei der Dienstherr vielmehr darauf angewiesen, dass die Besoldungsempfängerinnen und ‑empfänger ihrer Kontrollaufgabe ebenfalls nachkommen und die Besoldungsmitteilungen auf ihre Richtigkeit überprüfen würden (Niedersächsisches OVG v. 24.7.2013 — 5 LB 85/13 -, Rn. 38).
Eine Minderung des Rückforderungsbetrags um (mindestens) 30 % ist nach der Auffassung des Niedersächsisches OVG aber in Fällen gerechtfertigt, in denen der Eingabe- oder Computerfehler auch bei nachfolgenden Kontrollen oder Eingaben oder aber über einen langen Zeitraum (im entschiedenen Fall von fünf Jahren und 9 Monaten) nicht bemerkt wurde (Niedersächsisches OVG v. 19.8.2014 — 5 LA 85/14 -, Rn. 31 ff.). Um derartige Fälle, bei denen verschärfende Umstände hinzugetreten seien, habe es sich auch bei den beiden Grundsatzentscheidungen des BVerwG vom 26.4.2012 (BVerwG — 2 C 4.11 -, juris und BVerwG — 2 C 15.10 -, NVwZ-RR 2012, 930) gehandelt.
d) Ratenzahlungen
Neben dem vollständigen oder teilweisen Absehen von der Rückzahlung kommen die Stundung der Rückzahlungsforderung oder die Einräumung von Ratenzahlungen in Betracht. Es entspricht in der Regel der Billigkeit, bei wiederkehrenden Überzahlungen in jeweils geringer Höhe über einen längeren Zeitraum Ratenzahlungen einzuräumen, die dem Überzahlungszeitraum entsprechen. Die Festlegungen sind im Bescheid zu treffen. Eine bloße Bereitschaft, später Ratenzahlungen zu vereinbaren, genügt nicht. Der Billigkeit entspricht es, dass sich Dienstherr und Beamtin oder Beamter über die Modalitäten der Rückzahlung zu verständigen suchen (BVerwG v. 26.4.2012 — 2 C 4.11 -, Rn. 22, juris; BVerwG v. 26.4.2012 — 2 C 15.10 -, Rn. 28, NVwZ-RR 2012, 930).
e) Rechtsfehlerhaftigkeit der Billigkeitsentscheidung
Die Rechtsfehlerhaftigkeit einer Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 S. 3 BBesG oder § 52 Abs. 2 S. 3 BeamtVG hat die Rechtswidrigkeit der Rückforderungsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG oder § 52 Abs. 2 S. 1 BeamtVG zur Folge. Ein Rückforderungsbescheid darf nicht ergehen, ohne dass eine Billigkeitsentscheidung getroffen worden ist. Vor der Billigkeitsentscheidung steht lediglich die Höhe der Überzahlung fest, nicht aber, ob, in welcher Höhe und mit welchen Modalitäten diese Überzahlung auch einen Rückforderungsanspruch nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG oder § 52 Abs. 2 S. 1 BeamtVG begründet. Die Billigkeitsentscheidung ist damit notwendiger und untrennbarer Bestandteil der Rückforderungsentscheidung (BVerwG v. 26.4.2012 — 2 C 4.11 -, Rn. 23, juris; BVerwG v. 26.4.2012 — 2 C 15.10 -, Rn. 29, NVwZ-RR 2012, 930).