Aus dem öffent­lich-recht­li­chen Dienst- und Treue­ver­hält­nis der Beam­tin­nen und Beam­ten (Art. 33 Abs. 4 Grund­ge­setz (GG), § 4 Bun­des­be­am­ten­ge­setz (BBG), § 3 Abs. 1 Beam­ten­sta­tus­ge­setz (BeamtStG) erge­ben sich beam­ten­recht­li­che Berufs­pflich­ten. Deren Ver­let­zung wie auch die Ver­fol­gung und Ahn­dung der Dienstpflicht­verletzungen ist Gegen­stand des Dis­zi­pli­nar­rechts der Beam­tin­nen und Beam­ten. Nach dem Grund­ge­setz ist es Auf­ga­be des Berufs­be­am­ten­tums, den Rechts­staat und die Gesetz­mä­ßig­keit der Ver­wal­tung zu gewähr­leis­ten. Dienst­pflicht­ver­let­zun­gen gefähr­den die­se Auf­ga­be und beein­träch­ti­gen das Ver­trau­en in die öffent­li­che Ver­wal­tung. Indem das Beam­ten­dis­zi­pli­nar­recht dar­auf mit Ver­fol­gung und Ahn­dung reagiert, sichert es die sich aus dem Grund­ge­setz erge­ben­de beson­de­re Auf­ga­ben­stel­lung des Berufs­beamtentums, die Inte­gri­tät des Berufs­be­am­ten­tums wie auch die Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Verwaltung.

Rechts­grund­la­gen

Das Dis­zi­pli­nar­recht für Beam­tin­nen und Beam­te ist nicht Straf­recht, son­dern Teil des Beam­ten­rechts. Es ist in den Beam­ten- und Dis­zi­pli­nar­ge­set­zen des Bun­des und der Län­der gere­gelt. Das Beam­ten­dis­zi­pli­nar­recht ist vom Wehr­dis­zi­pli­nar­recht zu unter­schei­den, das die Ahn­dung von Dienst­ver­ge­hen von Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten der Bun­des­wehr zum Gegen­stand hat und in der Wehr­dis­zi­pli­nar­ord­nung (WDO) gere­gelt ist. Die Beam­ten­ge­set­ze von Bund und Län­der ent­hal­ten die beam­ten­recht­li­chen Pflich­ten­tat­be­stän­de, deren Ver­let­zung ein Dienst­ver­ge­hen dar­stellt (§ 77 BBG, § 47 BeamtStG). Die wesent­li­chen Berufs­pflich­ten der Bundes­beam­tinnen und ‑beam­ten sind in den Vor­schrif­ten der §§ 60 ff. BBG nie­der­ge­legt. Über die Vor­schrif­ten der §§ 33 ff., 47 BeamtStG wird sicher­ge­stellt, dass die Pflich­ten­tat­be­stän­de und der Begriff des Dienst­ver­ge­hens in den Beam­ten­ge­set­zen der Län­der mit dem Bun­des­recht im Wesent­li­chen über­ein­stim­men. In den Dis­zi­pli­nar­ge­set­zen des Bun­des und der Län­der, die für Beam­te und Ruhe­stands­be­am­te gel­ten, sind die Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men, das behörd­li­che und gericht­li­che Ver­fah­ren zur Fest­stel­lung und Ahn­dung von Dienst­ver­ge­hen sowie der Rechts­schutz für die betrof­fe­nen Beam­tin­nen und Beam­ten gere­gelt. Für die Bundes­beam­tinnen und ‑beam­ten gilt das Bun­des­dis­zi­pli­nar­ge­setz (BDG). Nach § 3 BDG sind für das Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren die Bestim­mun­gen des Verwaltungs­verfahrens­gesetzes (VwVfG) und der Verwaltungs­gerichts­ordnung (VwGO) ent­spre­chend anzu­wen­den, soweit das BDG kei­ne eige­ne Rege­lung ent­hält. Vor­schrif­ten der Straf­pro­zess­ord­nung (StPO) kom­men nur inso­weit zur Anwen­dung, als in ein­zel­nen Vor­schrif­ten des BDG aus­drück­lich auf sie ver­wie­sen wird. Zustän­di­ge Gerich­te für Dis­zi­pli­nar­an­ge­le­gen­hei­ten der Beam­tin­nen und Beam­te sind die Ver­wal­tungs­ge­rich­te (§ 45 BDG). Bei den Ver­wal­tungs­ge­rich­ten, den Ober­ver­wal­tungs­ge­rich­ten und dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt wer­den dafür Dis­zi­pli­nar­kam­mern oder Dis­zi­pli­nar­se­na­te eingerichtet.

Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren nach dem BDG

Das BDG unter­schei­det zwi­schen dem behörd­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren (§§ 17 — 44 BDG) und dem gericht­li­chem Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren (§§ 55 — 78 BDG). Behörd­li­ches Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren Der jewei­li­ge Dienst­vor­ge­setz­te ist nach § 17 Abs. 1 BDG ver­pflich­tet, ein behörd­li­ches Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ein­zu­lei­ten, wenn zurei­chen­de tat­säch­li­che Anhalts­punk­te vor­lie­gen, die den Ver­dacht eines Dienst­ver­ge­hens recht­fer­ti­gen (sog. Lega­li­täts­prin­zip). Nach § 77 BDG begeht ein Bun­des­be­am­ter* ein Dienst­ver­ge­hen, wenn er die ihm oblie­gen­den Pflich­ten schuld­haft ver­letzt. Zweck des behörd­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens ist es, im Wege der Sach­auf­klä­rung fest­zu­stel­len, ob ein schuld­haf­tes Dienst­ver­ge­hen vor­liegt, das mit einer Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me zu ahn­den ist. Dazu sind die erfor­der­li­chen Ermitt­lun­gen durch­zu­füh­ren und die erfor­der­li­chen Bewei­se zu erhe­ben (§§ 21 — 29 BDG). Der zwei­fels­freie Nach­weis eines schuld­haft began­ge­nen Dienst­ver­ge­hens ist Vor­aus­set­zung für die Ver­hän­gung einer Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me. Nach Abschluss der Ermitt­lun­gen hat der Dienst­vor­ge­setz­te eine Abschluss­ent­schei­dung zu tref­fen (§§ 32 — 34 BDG). Ist ein Dienst­ver­ge­hen nicht erwie­sen, hat er das Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ein­zu­stel­len (§ 32 BDG). Ist ein Dienst­ver­ge­hen hin­ge­gen erwie­sen, hat er über die Ver­hän­gung einer Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me zu ent­schei­den. Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men nach dem BDG sind Ver­weis, Geld­bu­ße, Kür­zung der Dienst­be­zü­ge, Zurück­stu­fung, Ent­fer­nung aus dem Beam­ten­ver­hält­nis, Kür­zung des Ruhe­ge­halts und Aberken­nung des Ruhe­ge­halts (§§ 5 — 16 BDG). Einen Ver­weis, eine Kür­zung der Dienst­be­zü­ge oder eine Kür­zung des Ruhe­ge­halts spricht der Dienst­vor­ge­setz­te durch Dis­zi­pli­nar­ver­fü­gung aus (§ 33 BDG). Soll gegen den Beam­ten auf Zurück­stu­fung, Ent­fer­nung aus dem Beam­ten­ver­hält­nis oder auf Aberken­nung des Ruhe­ge­halts erkannt wer­den, hat der Dienst­vor­ge­setz­te gegen ihn vor dem zustän­di­gen Ver­wal­tungs­ge­richt Dis­zi­pli­nar­kla­ge zu erhe­ben (§ 34 BDG).

Gericht­li­ches Disziplinarverfahren

Das zustän­di­ge Ver­wal­tungs­ge­richt hat über die Dis­zi­pli­nar­kla­ge des Dienst­herrn und über eine evtl. Anfech­tungs­kla­ge des Beam­ten gegen eine Dis­zi­pli­nar­ver­fü­gung (nach erfolg­lo­ser Durch­füh­rung des Wider­spruchs­verfahrens, §§ 41 — 44 BDG) zu ent­schei­den (§§ 52 — 61 BDG). Weist das Gericht die Dis­zi­pli­nar­kla­ge des Dienst­herrn nicht ab, hat es nicht nur das behörd­li­che Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren zu über­prü­fen, son­dern den dis­zi­pli­nar­recht­lich erheb­li­chen Sach­ver­halt fest­zu­stel­len und in Aus­übung der vol­len Dis­zi­pli­nar­ge­walt die erfor­der­li­che Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me zu bestim­men (§§ 60 Abs. 2, 59 Abs. 1 BDG). Auch bei der Anfech­tungs­kla­ge des Beam­ten prüft das Gericht neben der Recht­mä­ßig­keit auch die Zweck­mä­ßig­keit der ange­foch­te­nen Ent­schei­dung (§ 60 Abs. 3 BDG). Wird über die Dis­zi­pli­nar­kla­ge des Dienst­herrn nicht durch Beschluss (dafür Zustim­mung der Betei­lig­ten erfor­der­lich) ent­schie­den, ent­schei­det das Gericht durch Urteil, gegen das die Betei­lig­ten (zulas­sungs­freie) Beru­fung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt ein­le­gen kön­nen (§ 64 Abs. 1 BDG). Gegen das Urteil über die Anfech­tungs­kla­ge des Beam­ten steht den Betei­lig­ten nur die sog. Zulas­sungs­be­ru­fung zu (§ 64 Abs. 2 BDG). Gegen die Urtei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts kann Revi­si­on zum Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) ein­ge­legt wer­den, sofern die Revi­si­on zuge­las­sen wur­de (§ 69 BDG). Bei Nicht­zu­las­sung kann das BVerwG auf­grund einer Nicht­zulassungs­beschwerde die Revi­si­on zulas­sen. Soweit das BVerwG die Revi­si­on nicht durch Urteil zurück­weist und die Sache spruch­reif ist, kann das BVerwG im Rah­men des Revi­si­ons­be­geh­rens und der Gren­zen des Verschlechterungs­verbots die Dis­zi­pli­nar­ver­fü­gung auf­he­ben oder die Dis­zi­pli­nar­kla­ge abwei­sen und alle zuläs­si­gen Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men selbst ver­hän­gen. Ist die Sache noch nicht spruch­reif, d.h. ent­schei­dungs­er­heb­li­che Tatsachen­feststel­lungen sind noch zu tref­fen, weist das BVerwG die Sache durch Urteil zur ander­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an die Vor­in­stanz zurück.

Ver­fah­rens­grund­sät­ze

Das Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ist in allen sei­en Pha­sen beschleu­nigt durch­zu­füh­ren (Beschleu­ni­gungs­ge­bot § 4 BDG). Wird ein behörd­li­ches Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren, das nicht aus­ge­setzt ist, nicht inner­halb von sechs Mona­ten abge­schlos­sen, kann der Beam­te beim zustän­di­gen Ver­wal­tungs­ge­richt die Bestim­mung einer Frist zum Abschluss des Ver­fah­rens bean­tra­gen (§ 63 Abs. 1 BDG). Sofern kein zurei­chen­der Grund für den feh­len­den Abschluss des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens vor­liegt, hat das Gericht eine ent­spre­chen­de Frist zu bestim­men. Die Nicht­be­fol­gung der gericht­lich fest­ge­setz­ten Frist führt zur Ein­stel­lung des behörd­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens. Kommt es den­noch zu einer über­lan­gen Dau­er des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens, die der Beam­te nicht zu ver­tre­ten hat, kann bei Bemes­sung der Dis­zi­pli­nar­maß­na­he (unter­halb des Bereichs der Höchst­maß­nah­me) eine Mil­de­rung der aus­zu­spre­chen­den Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me hin­sicht­lich Art oder Höhe gebo­ten sein. Neben dem Beschleu­ni­gungs­ge­bot sind ins­be­son­de­re die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze des recht­li­chen Gehörs, der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit, der Unschulds­ver­mu­tung, der Ver­trau­lich­keit, der Unmit­tel­bar­keit der Beweis­auf­nah­me wie auch der Grund­satz der frei­en Beweis­wür­di­gung, der Grund­satz „in dubio pro reo“ und das Ver­schlech­te­rungs­ge­bot zu beachten.

Vor­läu­fi­ge Maß­nah­men des Dienstherrn

Der Dienst­vor­ge­setz­te kann bereits vor Ein­lei­tung des behörd­li­chen Ver­fah­rens beim Ver­dacht schwer­wie­gen­der Dienst­pflicht­ver­let­zun­gen ein Ver­bot der Füh­rung der Dienst­ge­schäf­te aus­spre­chen (§ 66 BBG). Das Ver­bot erlischt, wenn nicht inner­halb von drei Mona­ten ein Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren oder ein sons­ti­ges auf Rück­nah­me der Ernen­nung oder auf Been­di­gung des Beam­ten­ver­hält­nis­ses gerich­te­tes Ver­fah­ren ein­ge­lei­tet wor­den ist. Mit oder nach Ein­lei­tung des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens kann die vor­läu­fi­ge Dienst­enthebung und die Ein­be­hal­tung eines Teils der Dienst­be­zü­ge ange­ord­net wer­den, wenn vor­aus­sicht­lich auf Ent­fer­nung aus dem Beam­ten­ver­hält­nis erkannt wer­den wird oder durch Ver­blei­ben des Beam­ten im Dienst der Dienst­be­trieb oder die Ermitt­lun­gen wesent­lich beein­träch­tigt wür­den (§ 38 BDG). Dabei hat der Dienst­herr den Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit zu beach­ten. Die­se bei­den Maß­nah­men enden mit rechts­kräf­ti­gem Abschluss des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens (§ 38 Abs. 4 BDG). Der Beam­te kann die Aus­set­zung der Maß­nah­men beim zustän­di­gen Ver­wal­tungs­ge­richt bean­tra­gen (§ 63 BDG). Das Gericht hat die Maß­nah­men aus­zu­set­zen, wenn ernst­li­che Zwei­fel an ihrer Recht­mä­ßig­keit bestehen.