Umstrukturierungen in der Verwaltung wie Privatisierung, Outsourcing oder die Fremdvergabe von Leistungen sind für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes oftmals mit einem Arbeitgeberwechsel verbunden. Kündigungen oder Änderungen der vertraglichen Arbeitsbedingungen zum Nachteil der Beschäftigten können die Folge sein, soweit kein Bestandsschutz besteht.
1. Schutz der Arbeitnehmerrechte
Bestandsschutz bei einem Arbeitgeberwechsel bieten die Vorschriften zum Betriebsübergang nach § 613 a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit der Richtlinie 2001/23/EG des Rates v. 12.3.2001, der Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG (ABl. EG L 82 v. 22.3.2001 S. 16).
Ein Betriebsübergang im Sinne dieser Vorschriften hat folgende dem Schutz der betroffenen Beschäftigten dienende Rechtsfolgen:
- Die neuen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber treten in die zum Zeitpunkt des Übergangs bestehende Arbeitsverhältnisse ein (§ 613a Abs. 1 S. 1 BGB).
- Soweit in den Arbeitsverhältnissen Tarifverträge in Bezug genommen sind, bleiben diese Bestandteil des Arbeitsverhältnisses (§ 613a Abs. 1 S. 1 BGB).
- Waren die bisherigen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber wie auch die Beschäftigten tarifgebunden, werden die bisherigen tariflichen Regelungen mit dem Übergang Bestandteil der Arbeitsverhältnisse mit den neuen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres geändert werden (§ 613 Abs. 1 S. 2 bis 4 BGB).
- Die bisherigen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haften neben den neuen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern gesamtschuldnerisch für Verpflichtungen, die vor dem Übergang entstanden sind, z.B. Gehaltsrückstände (§ 613a Abs. 2 BGB)
- Kündigungen der bisherigen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber wie auch der neuen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber wegen des Übergangs sind unwirksam (§ 613a Abs. 4 S. 1 BGB).
- Vom Übergang betroffene Beschäftigte können dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprechen mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis mit der bisherigen Arbeitgeberin oder dem bisherigen Arbeitgeber fortbesteht (§ 613a Abs. 6 S. 1 BGB).
2. Anwendungsbereich des § 613 a BGB und der Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG
a) Betriebsübergang durch Rechtsgeschäft
Die Vorschrift des § 613a BGB und die EU-Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG setzen einen Betriebsübergang durch Rechtsgeschäft voraus. Sie gelten nicht bei der Übertragung von Aufgaben im Zuge einer Umstrukturierung von Verwaltungsbehörden oder bei der Übertragung von Aufgaben von einer Behörde auf eine andere (Art. 1 1.c) Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG). Sie sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) im Bereich der Ausübung von Hoheitsrechten ausgeschlossen.
Ein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang im Sinne des § 613a BGB der EU-Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG liegt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung der Identität fortführt. Maßgebliche Kriterien für einen Betriebsübergang sind die Art des Betriebs, die Übernahme von Betriebsmitteln, Know How und Personal und die Fortführung der bisherigen betrieblichen Tätigkeit ohne wesentliche Unterbrechung der Tätigkeit.
b) Abgrenzung zwischen privatwirtschaftlichem und hoheitlichem Bereich
Im Einzelfall ist es oftmals schwierig, festzustellen, ob ein Ausschluss der Vorschriften zum Betriebsübergang vorliegt oder nicht. Nach der Rechtsprechung des BAG finden die Vorschriften zum Betriebsübergang für öffentliche Unternehmen Anwendung, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht (BAG v. 22.5.2014 — 8 AZR 1069/12 -, Rn. 37, NZA 2014, 1335). Tätigkeiten in Ausübung hoheitlicher Befugnisse sollen keine wirtschaftlichen Tätigkeiten sein.
Auch wenn § 316a BGB und die Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG im hoheitlichen Bereich nicht anwendbar sind, haben diese Regelungen in der Praxis dennoch Bedeutung für den öffentlichen Dienst. Das veranschaulicht nachfolgender vom BAG entschiedene Fall (BAG v. 22.5.2014 — 8 AZR 1069/12 -, NZA 2014, 1335):
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Eine Kommune, die die aktive Arbeitsvermittlung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) wahrnimmt, kündigte einem Fallmanager innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des Arbeitsvertrages. Der Betroffene klagte auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht beendet sei. Er berief sich darauf, dass das Arbeitsverhältnis bereits zuvor mit einer öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsförderungsgesellschaft (BFG) bestanden habe und durch Betriebsübergang auf die Kommune übergegangen sei. Damit sei auf das Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz anwendbar.
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Die BFG hatte aufgrund einer befristeten öffentlich-rechtlichen Vereinbarung über mehrere Jahre die Arbeitsvermittlung für die Kommune durchgeführt. Der Kläger nahm dort als Fallmanager dieselben Aufgaben wahr wie danach bei der Kommune. Nach Ablauf der Vereinbarung führte die Kommune die Arbeitsvermittlung selbst durch. Dafür übernahm sie von der BFG einen großen Teil des Personals sowie den Datenbestand und den „Kundenstamm“.
c) Abgrenzung zur Funktions- und Auftragsnachfolge
Die bloße Fortführung einer Tätigkeit durch eine Dritte oder einen Dritten ohne Übernahme einer wirtschaftlichen Einheit stellt keinen Betriebsübergang sondern eine sog. Funktionsnachfolge dar. Typisches Beispiel dafür ist, dass eine Dienstleistung aufgrund einer Ausschreibung neu vergeben wird, ohne dass die neue Auftragnehmerin oder der neue Auftragnehmer in nennenswertem Umfang Personal oder Betriebsmittel der bisherigen Auftragnehmerin oder des bisherigen Auftragnehmers übernimmt.
Eine solche Auftragsnachfolge bejahte das BAG bei der Neuvergabe eines Bewachungsauftrags auf einem Truppenübungsplatz der Bundeswehr (BAG v. 25.9.2008 — 8 AZR 607/07, BB 2008, 2233):
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Das durch die Auftragsvergabe neu beauftragte Bewachungsunternehmen nutzte ebenso wie der vorherige Auftragnehmer die Wachgebäude, die Telefonanlage und die spezielle Alarmanlage der Bundeswehr auf dem Truppenübungsplatz. Außerdem übernahm es ca. 40 % des Wachpersonals des früheren Auftragnehmers. Das nichtübernommene Personal wurde von dem früheren Auftragnehmer betriebsbedingt gekündigt. Ein gekündigter Wachmann klagte daraufhin gegen den neuen Auftragnehmer auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen und berief sich dabei auf die Vorschriften zum Betriebsübergang.
In einem Fall der Neuvergabe des Fluggastkontrolldienstes auf einem Flughafen nahm das BAG hingegen einen Betriebsübergang an (BAG v. 13.6.2006 — 8 AZR 271/05 -, NJW 2007, 106):
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Eine Sicherheitsbeauftragte und Dienstgruppenleiterin wurde vom bisherigen Auftragnehmer wegen Stilllegung des Betriebs betriebsbedingt gekündigt. Sie wurde vom neuen Auftragnehmer mit einer niedrigeren Stundenvergütung neu eingestellt. Daraufhin klagte sie gegen den neuen Auftragnehmer auf Feststellung, dass das zwischen ihr und dem bisherigen Auftragnehmer geschlossene Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen weiterbestehe. Der neue Auftragnehmer übernahm vom bisherigen Auftragnehmer die vom Bundesministerium des Innern (BMI) zur Verfügung gestellten technische Geräte, Anlagen und Räume zur Fluggastkontrolle auf dem Flughafen als Betriebsmittel.
Obschon die Fluggastkontrolle eine hoheitliche Aufgabe ist, ging das BAG von der Anwendbarkeit des § 613 a BGB und der Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG aus. Entscheidend sei, dass die Betriebsmittel nicht aufgrund eines hoheitlichen Aktes, sondern aufgrund vertraglicher Vereinbarungen genutzt würden. Die neue Auftragnehmerin habe den Fluggastkontrolldienst daher durch Rechtsgeschäft übernommen. Hingegen bekräftigte das BAG in einer neueren Entscheidung unter Berufung auf die EuGH-Rechtsprechung, dass Tätigkeiten in Ausübung hoheitlicher Befugnisse nicht in den Anwendungsbereich des § 613a BGB fallen (BAG v. 22.5.2014 — 8 AZR 1069/12 -, Rn. 39, NZA 2014, 1335).
3. Ausübung des Widerspruchrechtes
Die von einem Betriebsübergang betroffenen Beschäftigten können nach § 613a Abs. 6 BGB dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses schriftlich widersprechen. Das Arbeitsverhältnis geht dann nicht auf die neue Arbeitgeberin oder den neuen Arbeitgeber über. Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem die bisherige Arbeitgeberin oder der bisherige Arbeitgeber oder die neue Arbeitgeberin oder der neue Arbeitgeber über den beabsichtigten Übergang in Textform nach § 613a Abs. 5 BGB unterrichtet hat, zu erheben. Bei einer unterbliebenen oder nicht ausreichenden Information wird die Widerspruchsfrist nicht ausgelöst (BAG v. 10.11.2011 — 8 AZR 430/10 -, Rn. 23, NZA 2012, 584). Die betroffenen Beschäftigten können dann auch noch nach dem Betriebsübergang widersprechen.
Verfügen die bisherigen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber nach dem Betriebs- oder Teilbetriebsübergang über keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten, gehen widersprechende Beschäftigte das Risiko einer betriebsbedingten Kündigung ein. Fallen bei einem Teilbetriebsübergang bei der bisherigen Arbeitgeberin oder beim bisherigen Arbeitgeber nicht alle Arbeitsplätze weg und findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, ist vor der Kündigung nach § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) jedoch eine Sozialauswahl durchzuführen. Dabei können entgegen der früheren Rechtsprechung des BAG die Gründe für den Widerspruch nicht zum Nachteil der widersprechenden Beschäftigten berücksichtigt werden, da in § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG die Auswahlkriterien jetzt abschließend festgelegt sind (BAG v. 31.5.2007 — 2 AZR 276/06 -, Rn. 38 f., BAGE 123, 1). Ein geringeres Risiko gehen bei einem Widerspruch Beschäftigte ein, die nach § 34 Abs. 2 TVöD/TV‑L sog. unkündbar ist. Zwar kommt auch für diese Beschäftigte eine außerordentlich betriebsbedingte Kündigung in Betracht, aber an eine solche Kündigung werden besonders hohe Anforderungen gestellt.
Betriebsbedingte Kündigungen können im öffentlichen Dienst zudem durch eine Personalgestellung nach § 3 TVöD/TV‑L vermieden werden. Danach können widersprechende Beschäftigte den Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die die von den Beschäftigten bisher wahrgenommenen Aufgaben übernommen haben, zur weiteren Wahrnehmung dieser Aufgaben gegen Kostenerstattung dauerhaft zugewiesen werden, ohne dass davon das jeweilige Arbeitsverhältnis tangiert wird.