Bei der Einführung neuer Software
in der öffentlichen Verwaltung sind Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte des Personalrates zu beachten.
1. Konkurrenz von Mitbestimmungs- oder Mitwirkungsrechten
Bei der Einführung der Steuersoftware EOSS in der Berliner Steuerverwaltung hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) dem Berliner Gesamtpersonalrat aufgrund der Einführung neuer IT-Verfahren Mitbestimmungsrechte nach dem Berliner Personalvertretungsgesetz (BlnPersVG) zuerkannt (BVerwG v. 14.6.2011 — 6 P 10.10 -, NVwZ-RR 2011, 870). Der Berliner Senat beteiligte den Gesamtpersonalrat nur im Wege der Mitwirkung. Das OVG Berlin-Brandenburg bestätigte dies. Es sah die Mitbestimmungsrechte nach § 85 Abs. 2 Nr. 8 bis 10 BlnPersVG durch das Mitwirkungsrecht bei der „Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und grundlegenden Änderungen von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen“ nach § 90 Nr. 3 BlnPersVG als verdrängt an.
Der Berliner Landesgesetzgeber reagierte im Unterschied zum Bundesgesetzgeber bereits 1992 auf die neuen Informations- und Kommunikationstechniken. Er führte Mitbestimmungsrechte bei der „automatisierten Verarbeitung von Personaldaten“, bei der „Einführung neuer Arbeitsmethoden im Rahmen der Informations- und Kommunikationstechnik“ und bei der „Änderung oder Ausweitung von Arbeitsmethoden im Rahmen der Informations- und Kommunikationstechnik“ ein (§ 85 Abs. 2 Nr. 8 bis 10 BlnPersVG).
Das BVerwG stellte mit o.g. Beschluss für die Einführung von EOSS klar, dass die Mitbestimmungstatbestände „Möglichkeit technischer Überwachung“ (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 Buchst. b BlnPersVG), „Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung (§ 85 Abs. 2 Nr. 2 BlnPersVG) und „Änderung von Arbeitsmethoden im Rahmen der Informations- und Kommunikationstechnik“ (§ 85 Abs. 2 Nr. 9 BlnPersVG) Vorrang vor dem Mitwirkungstatbestand nach § 90 Nr. 3 BlnPersVG haben (BVerwG a.a.O., Rn. 45, ff.). Andernfalls würde der mit den Mitbestimmungsrechten beabsichtigte Zweck des Schutzes der Dienstkräfte vor körperlicher und geistiger Überanspruchung vereitelt.
2. Letztentscheidungsrecht des Berliner Senats
Das BVerwG (a.a.O. Rn. 54 ff.) betonte aber, dass die Übernahme des EOSS-Verfahren dem Letztentscheidungsrecht des Berliner Senats unterlag (§§ 81 Abs. 2 Satz 1, 83 Abs. 3 Satz 4 BlnPersVG). Dennoch sei eine eingeschränkte Mitbestimmung gegenüber einer Mitwirkung für die Personalvertretung vorteilhafter. Die Mitbestimmung eröffne der Personalvertretung die Gelegenheit, ihrem Standpunkt im Stufenverfahren und vor der Einigungsstelle Gehör zu verschaffen.
3. Austausch von Software
Das BVerwG stellte ferner fest, dass der Austausch von Softwareversionen als Änderung der Arbeitsmethode anzusehen sei, soweit er für die betroffenen Dienstkräfte ins Gewicht fallende körperliche und psychische Auswirkung hat (BVerwG a.a.O, Rn. 36 — 40). Für die Beurteilung dieser Frage spiele die Zahl der Programme und nicht unerheblicher Schulungsbedarf eine Rolle.
4. Anspruch auf Nachholung des Mitbestimmungsverfahrens
Die Berliner Steuerverwaltung führte ab Juli 2007 die Anwendungen des EOS-Verbundes trotz des anhängigen Rechtsstreits mit der Personalvertretung sukzessive ein. Dazu erklärte das BVerwG, dass bei Missachtung von Mitbestimmungsrechten die Personalvertretung einen durchsetzbaren Anspruch auf Nachholung des Mitbestimmungsverfahrens habe (BVerwG a.a.O Rn. 10 f.). Die Dienststelle sei verpflichtet die Maßnahmen rückgängig zu machen, soweit dies rechtlich und tatsächlich möglich ist. Nach Vorliegen des Beschlusses des BVerwG haben sich der Finanzsenator des Landes Berlin und der Gesamtpersonalrat außergerichtlich geeinigt. Wesentlicher Inhalt der Einigung war, dass die Programme des EOSS-Verbunds nicht für eine Verhaltens- und Leistungskontrolle eingesetzt werden.