Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) hat
in einer Grund­satz­ent­schei­dung zum Mit­be­stim­mungs­ge­setz Schles­wig-Hol­stein ver­fas­sungs­recht­li­che Gren­zen für die Mit­be­stim­mung im öffent­li­chen Dienst auf­ge­zeigt. Per­so­nal­ver­tre­tungs­ge­set­ze, die nicht an das Urteil des BVerfG ange­passt wur­den, sind nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts im Lich­te des Urteils des BVerfG ver­fas­sungs­kon­form aus­zu­le­gen und anzuwenden.

1. Par­la­men­ta­ri­sche Ver­ant­wort­lich­keit des Dienstherrn

Nach dem Urteil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts (BVerfG v. 24.5.1995 — 2 BvF 1/92 -, Rn. 58, BVerfGE 93, 37) zum Mit­be­stim­mungs­ge­setz Schles­wig-Hol­stein sind der Mit­be­stim­mung der Beschäf­tig­ten im öffent­li­chen Dienst durch den Grund­satz, dass staat­li­ches Han­deln nach Arti­kel 20 Absatz 2 Grund­ge­setz (GG) der demo­kra­ti­schen Legi­ti­ma­ti­on bedarf, Gren­zen gesetzt:

  • Eine Mit­be­stim­mung darf sich nur auf inner­dienst­li­che Maß­nah­men erstre­cken und nur so weit gehen, als die spe­zi­fi­schen in dem Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis ange­leg­ten Inter­es­sen der Beschäf­tig­ten der Dienst­stel­le sie recht­fer­ti­gen (Schutz­zweck­gren­ze)
  • Bei Maß­nah­men von Bedeu­tung für die Erfül­lung des Amts­auf­tra­ges muss die Letzt­ent­schei­dung eines dem Par­la­ment ver­ant­wort­li­chen Amts­trä­gers gesi­chert sein (Ver­ant­wor­tungs­gren­ze).

2. Grup­pen­ein­tei­lung mit­be­stim­mungs­fä­hi­ger Maßnahmen

Das BVerfG (BVerfG v. 24.5.1995 — 2 BvF 1/92 -, Rn. 59 ff., BVerfGE 93, 37) hat die Maß­nah­men, die wegen ihres inner­dienst­li­chen Bezugs einer Mit­be­stim­mung der Per­so­nal­ver­tre­tung grund­sätz­lich zugäng­lich sind, — im Wege der Abstu­fung — in drei Grup­pen eingeteilt:

Grup­pe a)

Ange­le­gen­hei­ten, die in ihrem Schwer­punkt die Beschäf­tig­ten in ihrem Beschäf­tig­ten­ver­hält­nis betref­fen, typi­scher­wei­se aber die Wahr­neh­mung des Amts­auf­trags „nicht oder nur uner­heb­lich“ berüh­ren, ins­be­son­de­re Ange­le­gen­hei­ten rein inner­dienst­li­cher oder sozia­ler Art:

  • Dafür ist eine weit­rei­chen­de Mit­wir­kung der Beschäf­tig­ten zuläs­sig. Bei Nicht­ei­ni­gung kann die Ent­schei­dung einer wei­sungs­un­ab­hän­gi­gen Eini­gungs­stel­le über­las­sen wer­den. Die demo­kra­ti­sche Legi­ti­ma­ti­on der Ent­schei­dung kann gestärkt wer­den, wenn die Ver­wei­ge­rung der Zustim­mung der Per­so­nal­ver­tre­tung an bestimm­te Beweg­grün­de (z.B. Ver­wei­ge­rungs­grün­de des § 77 Abs. 2 Bun­des­per­so­nal­ver­tre­tungs­ge­setz (BPersVG), Ein­wen­dungs­grün­de des § 79 Abs. 1 Satz 3 BPersVG) gebun­den wird.

Grup­pe b)

Maß­nah­men, die zwar den Bin­nen­be­reich des Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­ses betref­fen, aber die Wahr­neh­mung des Amts­auf­tra­ges typi­scher­wei­se „nicht uner­heb­lich“ berüh­ren wie z.B. Abse­hen von der Stel­len­aus­schrei­bung, Ein­füh­rung tech­ni­scher Über­wa­chungs­ein­rich­tun­gen und Rege­lun­gen zu den Arbeits­be­din­gun­gen der Beschäftigten:

  • Die ver­bind­li­che Letzt­ent­schei­dung über sol­che Maß­nah­men muss einem dem Par­la­ment ver­ant­wort­li­chen Amts­trä­ger vor­be­hal­ten blei­ben, wobei dies in unter­schied­li­cher Wei­se bewirkt wer­den kann.

Grup­pe c)

Maß­nah­men, die schwer­punkt­mä­ßig die Erle­di­gung von Amts­auf­ga­ben betref­fen, unver­meid­lich aber auch die Inter­es­sen der Beschäf­tig­ten berüh­ren, ins­be­son­de­re orga­ni­sa­to­ri­sche Maß­nah­men der Dienst­stel­le, die für die Wahr­neh­mung des Amts­auf­tra­ges von erheb­li­cher Bedeu­tung sind, sowie alle Maß­nah­men, die den Rechts­sta­tus von Beam­tin­nen und Beam­ten und Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mern betreffen:

  • Sol­che Maß­nah­men dür­fen nicht von Stel­len getrof­fen wer­den, die Par­la­ment und Regie­rung nicht ver­ant­wort­lich sind. Per­so­nal­ver­tre­tung und Eini­gungs­stel­le dür­fen allen­falls in Form einer ein­ge­schränk­ten Mit­be­stim­mung, nach der die Ent­schei­dung der Eini­gungs­stel­le nur den „Cha­rak­ter einer Emp­feh­lung“ für den ver­ant­wort­li­chen und letzt­ent­schei­den­den Amts­trä­ger hat, in die Wil­lens­bil­dung und Ent­schei­dungs­fin­dung ein­be­zo­gen werden.

3. Grup­pen­zu­ord­nung der
Mit­be­stim­mungs­tat­be­stän­de des BPersVG

In sei­nem Urteil hat das BVerfG (BVerfG v. 24.5.1995 — 2 BvF 1/92 -, Rn. 60 — 62, BVerfGE 93, 37) — bezo­gen auf die Rege­lun­gen des BPersVG — fol­gen­de bei­spiel­haf­te Zuord­nun­gen zu den jewei­li­gen Grup­pen vorgenommen:

  • Grup­pe a) Unein­ge­schränk­te Mitbestimmung

    • Sozia­le Ange­le­gen­hei­ten des Ein­zel­falls (§ 75 Abs. 2 BPersVG)
    • Inner­dienst­li­che Ange­le­gen­hei­ten (§ 75 Abs. 3 BPersVG) mit Aus­nah­me der Num­mern 10, 14 und 17
  • Grup­pe b) Ein­ge­schränk­te Mitbestimmung

    Tat­be­stän­de des § 75 Abs. 3 Nr. 14 und 17 BPersVG:
    • Abse­hen von der Aus­schrei­bung von Dienstposten
    • Ein­füh­rung und Anwen­dung tech­ni­scher Ein­rich­tun­gen, die dazu bestimmt sind, das Ver­hal­ten oder die Leis­tung der Beschäf­tig­ten zu überwachen
    Tat­be­stand des § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG:
    • Vor­be­rei­tung von Ver­wal­tungs­an­ord­nun­gen einer Dienst­stel­le für die inner­dienst­li­chen, sozia­len und per­sön­li­chen Angelegenheiten
  • Grup­pe c) Ein­ge­schränk­te Mitbestimmung

    • Per­so­nal­an­ge­le­gen­hei­ten der Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer (§ 75 Abs. 1 BPersVG)
    • Per­so­nal­an­ge­le­gen­hei­ten der Beam­tin­nen und Beam­te und sons­ti­ge Ange­le­gen­hei­ten (§ 76 BPersVG)
    Tat­be­stän­de des § 78 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 BPersVG:
    • Auf­lö­sung, Ein­schrän­kung, Ver­le­gung oder Zusam­men­le­gung von Dienst­stel­len oder wesent­li­chen Tei­len von ihnen
    • Erhe­bung der Dis­zi­pli­nar­kla­ge gegen eine Beam­tin oder einen Beamten
    • Ent­las­sung von Beam­tin­nen und Beam­ten auf Pro­be oder Wider­ruf, wenn sie die Ent­las­sung nicht selbst bean­tragt haben
    • Kün­di­gun­gen und frist­lo­se Ent­las­sun­gen (§ 79 BPersVG)
    Abwei­chend von die­sen Vor­ga­ben des BVerfG sieht das BPersVG
    ein unein­ge­schränk­tes Mit­be­stim­mungs­recht für fol­gen­de Tat­be­stän­de vor:
    • Per­so­nal­an­ge­le­gen­hei­ten der Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeitnehmer
      (§ 75 Abs. 1 BPersVG),
    • Bestel­lung von Ver­trau­ens- und Betriebs­ärz­ten als Arbeit­neh­mer (§ 75 Abs. 3 Nr. 10 (BPersVG),
    • Abse­hen von der Stel­len­aus­schrei­bung (§ 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG),
    • Ein­füh­rung und Anwen­dung tech­ni­scher Über­wa­chungs­ein­rich­tun­gen (§ 75 Abs. 3 Nr. 17 (BPersVG).

4. Ver­fas­sungs­ge­mä­ße Anwen­dung des BPersVG

Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts (BVerwG) sind für die Mit­be­stim­mungs­tat­be­stän­de des BPersVG oder der Lan­des­per­so­nal­ver­tre­tungs­ge­set­ze, die im Wider­spruch zur Ent­schei­dung des BVerfG eine unein­ge­schränk­te Mit­be­stim­mung vor­se­hen, die jewei­li­gen Vor­schrif­ten über die ein­ge­schränk­te Mit­be­stim­mung — unter den Voraus­setzungen des § 104 Satz 3 BPersVG im Wege einer ver­fas­sungs­kon­for­men Aus­le­gung — anzu­wen­den (BVerwG v. 28.3.2001 — 6 P 4/00 -, Rn. 39, BVerw­GE 114, 103; BVerwG v. 3.12.2001 — 6 P 12.00 -, Rn. 34, NZA-RR 2002, 666; BVerwG v. 18.6.2002 — 6 P 12/01 -; Rn. 33 ff., NZA-RR 2003, 223; BVerwG v. 19.5.2003 — 6 P 16.02 -; BVerwG v. 18.5.2004 — 6 P 13.03 -; BVerwG v. 30.6.2005 — 6 P 9.04 -, Rn. 32 ff., BVerw­GE 124, 34). Das bedeu­tet für das BPersVG, dass die Rege­lun­gen des § 69 Abs. 4 S.3 und 4 BPersVG Anwen­dung fin­den: Bei Nicht­ei­ni­gung kann die Eini­gungs­stel­le nur eine Emp­feh­lung abge­ben; die ver­bind­li­che Letzt­ent­schei­dung trifft die obers­te Dienstbehörde.

Das BVerwG wen­det die­se Recht­spre­chung für alle Maß­nah­men an, die der uneinge­schränk­ten Mit­be­stim­mung unter­fal­len, aber die Regierungs­verantwortung berüh­ren und vom BVerfG des­halb den Fall­grup­pen b) und c) zuge­ord­net wur­den. Im Rah­men des BPersVG gilt dies bei­spiels­wei­se für die Tat­be­stän­de des § 75 Abs. 3 BPersVG, die nach dem BPersVG der unein­ge­schränk­ten Mit­be­stim­mung unter­fal­len. So hat das BVerwG ent­schie­den, dass für die Anord­nung von Mehr­ar­beit oder Über­stun­den (Tat­be­stand des § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG) nur die ein­ge­schränk­te Mit­be­stim­mung nach § 69 Abs. 4 Sät­ze 3 und 4 BPersVG Anwen­dung fin­det (BVerwG v. 30.6.2005 — 6 P 9.04 -, Rn. 32 ff., BVerw­GE 124, 34).

Die Gesetz­ge­ber der Län­der haben ihre Per­so­nal­ver­tre­tungs­ge­set­ze inzwi­schen meist an das Urteil des BVerfG vom 24.5.1995 ange­passt. Der Bun­des­ge­setz­ge­ber hat für das BPersVG aber kei­ne Kon­se­quen­zen gezogen.