Im Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ste­hen dem betrof­fe­nen Beam­ten die sich aus dem Rechts­staats­prin­zip (Art. 20 Abs. 2, Art. 28 Abs. 1 GG) zu Guns­ten eines Beschul­dig­ten ableit­ba­ren Ver­fah­rens­grund­sät­ze zur Seite.

Dies sind vor allem das recht­li­che Gehör, der Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit, der Grund­satz der Unschulds­ver­mu­tung, der Grund­satz der Ver­trau­lich­keit, der Grund­satz der Unmit­tel­bar­keit der Beweis­auf­nah­me, der Grund­satz „in dubio pro reo“ und das Ver­schlech­te­rungs­ge­bot Die­se Ver­fah­rens­grund­sät­ze sind den Rege­lun­gen des BDG aus rechts­staat­li­chen Grün­den zugrun­de gelegt, obschon das Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren kein Straf­ver­fah­ren im eigent­li­chen Sin­ne, son­dern ein ver­wal­tungs­ge­richt­li­ches Ver­fah­ren ist.

Ver­fah­rens­rech­te

Dem Beam­ten steht es im Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren „als Beschul­dig­tem“ frei, sich zu äußern oder nicht zur Sache aus­zu­sa­gen (Aus­sa­ge­­ver­wei­ge­rungs- oder Schwei­ge­recht, § 20 Abs. 1 Satz 2 BDG). Dar­über ist er bei Ein­lei­tung des behörd­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens zu beleh­ren (§ 20 Abs. 1 Satz 3 BDG). Bei Nicht­be­leh­rung oder feh­ler­haf­ter Beleh­rung darf die Aus­sa­ge des Beam­ten nicht zu sei­nem Nach­teil ver­wen­det wer­den (§ 20 Abs. 3 BDG). Das Aus­sa­ge­­ver­wei­ge­rungs- oder Schwei­ge­recht ergibt sich aus dem all­ge­mei­nen recht­staat­li­chen Grund­satz, dass sich ein Beschul­dig­ter nicht selbst belas­ten muss. Die­ser Grund­satz und damit das Aus­sa­ge­ver­wei­ge­rungs- oder Schwei­ge­recht gilt daher auch in allen Instan­zen des gericht­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens, auch wenn das BDG es dort nicht aus­drück­lich benennt.

Der Beam­te hat in jeder Pha­se des Ver­fah­rens Anspruch auf recht­li­ches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 3 BDG, § 108 Abs. 2 VwGO). Auf­grund sei­nes Anhö­rungs­rechts ist der Beam­te berech­tigt, auf­grund sei­nes Schwei­ge­rechts aber nicht ver­pflich­tet, an der Sach­auf­klä­rung mit­zu­wir­ken. Er ist grund­sätz­lich berech­tigt, an der Beweis­auf­nah­me teil­zu­neh­men, sach­dien­li­che Fra­gen oder Beweis­an­trä­ge zu stel­len, Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten ein­zu­se­hen (§ 24 Abs. 3 und 4 BDG). Von der Teil­nah­me an einer Zeu­gen­ver­neh­mung und der Teil­nah­me an einer Ein­nah­me des Augen­scheins kann er nur aus­ge­schlos­sen wer­den, soweit dies aus wich­ti­gen Grün­den, ins­be­son­de­re mit Rück­sicht auf den Zweck der Ermitt­lun­gen oder zum Schut­ze der Rech­te Drit­ter, erfor­der­lich ist (§ 24 Abs. 4 Satz 2 BDG). Dem Beam­ten steht auch ein Akten­ein­sichts­recht zu (§§ 3, 29 VwVfG, § 100 VwGO). Auf­grund sei­nes Schwei­ge­rechts ist der Beam­te nicht ver­pflich­tet, zu einer ange­ord­ne­ten Anhö­rung oder zur gericht­li­chen münd­li­chen Ver­hand­lung zu erschei­nen. Sagt der Beam­te zur Sache aus, ist er auf­grund der dienst­li­chen Wahr­heits­pflicht zur wahr­heits­ge­mä­ßen Aus­sa­ge nur inso­weit ver­pflich­tet, als er sich selbst nicht belas­tet. Wahr­heits­wid­ri­ge Aus­sa­gen zum eige­nen Schutz sind aber nur zuläs­sig, soweit der Beam­te Drit­te nicht vor­sätz­lich zu Unrecht belas­tet. Aus sei­nem Ver­hal­ten im Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren dür­fen für den Beam­ten kei­ne nach­tei­li­gen Schlüs­se gezo­gen werden.

Im gericht­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ist der Beam­te gleich­ran­gi­ger Ver­fah­rens­be­tei­lig­ter. Der Beam­te und sein Dienst­herr ste­hen sich in ihrer jewei­li­gen Rol­le als Klä­ger oder Beklag­ter gegen­über. Es fin­den damit grund­sätz­lich nach § 3 BDG die Vor­schrif­ten der §§ 61 ff. VwGO Anwen­dung. Zu berück­sich­ti­gen ist dabei aber jeweils, dass der Beam­te in sei­ner Rol­le als Klä­ger oder Beklag­ter immer auch „Beschul­dig­ter“ ist, mit der Fol­ge, dass er als Ver­fah­rens­be­tei­lig­ter für sich ent­spre­chen­de Schutz­rech­te wie z.B. das Schwei­ge­recht in Anspruch neh­men kann.

Bevoll­mäch­tig­ter, Bei­stand und bestell­ter Vertreter 

Der Beam­te kann sich im gan­zen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren durch einen Bevoll­mäch­ti­gen ver­tre­ten las­sen oder eines Bei­stan­des bedie­nen (§ 3, 14 Abs. 1 VwVfG). Bei Ein­lei­tung des behörd­li­chen Disziplinar­verfahrens ist der Beam­te dar­über zu beleh­ren (§ 20 Abs. 1 Satz 3 BDG). Bevoll­mäch­tig­ter oder Bei­stand kön­nen z.B. ein Rechts­an­walt, ein Gewerk­schafts­ver­tre­ter oder das Mit­glied eines Per­so­nal­ra­tes sein. Ist der Beam­te in Fol­ge psy­chi­scher oder kör­per­li­cher Ein­schrän­kun­gen nicht hand­lungs­fä­hig, hat auf Antrag des Dienst­vor­ge­setz­ten das zustän­di­ge Betreu­ungs­ge­richt von Amts wegen einen geeig­ne­ten Ver­tre­ter zu bestel­len (§ 3 BDG, § 62 Abs. 4 VwGO, § 57 ZPO). Ein ent­ge­gen die­ser Vor­schrift ohne bestell­ten Ver­tre­ter ein­ge­lei­te­tes behörd­li­ches Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ist ein­zu­stel­len (§ 32 Abs. 1 Nr. 4 BDG).

Betei­li­gung von Per­so­nal­rat und Schwerbehindertenvertretung

Bei Ein­lei­tung des behörd­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens ist der Per­so­nal­rat nicht zu betei­li­gen. Ist der Beam­te schwer­be­hin­dert, so hat der Dienst­vor­ge­setz­te die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung recht­zei­tig und umfas­send über die Ein­lei­tung zu unter­rich­ten (§ 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Bei Erhe­bung der Dis­zi­pli­nar­kla­ge, nicht aber bei Erlass einer Dis­zi­pli­nar­ver­fü­gung hat der Per­so­nal­rat auf Antrag des Beam­ten nach § 78 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BPersVG mit­zu­wir­ken, wobei er Ein­wen­dun­gen nur auf die Grün­de des § 77 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BPersVG stüt­zen kann. Die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung ist auf Wunsch des Beam­ten hin­ge­gen vor Erlass einer Dienst­ver­fü­gung wie auch vor Erlass einer Dis­zi­pli­nar­kla­ge anzu­hö­ren; die getrof­fe­ne Ent­schei­dung ist der Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung unver­züg­lich mit­zu­tei­len ( § 95 Abs.2 SGB IX).

Anwalts­zwang

Vor dem Ober­ver­wal­tungs­ge­richt und dem Bundes­verwaltungs­gericht besteht Anwalts­zwang. Der Beam­te muss sich durch einen Rechts­an­walt oder einen Hoch­schul­leh­rer der Rechts­wis­sen­schaf­ten vor Gericht ver­tre­ten las­sen (§ 3 BDG, § 67 Abs. 4 VwGO)

Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren gegen ein Mit­glied des Personalrates

Auch gegen einen Beam­ten, der Mit­glied eines Per­so­nal­ra­tes ist, kann — auch im Fal­le der Frei­stel­lung — ein Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet und durch­ge­führt wer­den. Durch die Mit­glied­schaft in einer Per­so­nal­ver­tre­tung blei­ben der Beam­ten­sta­tus und die damit ver­bun­de­nen Beam­ten­pflich­ten unbe­rührt. Bei einer vor­läu­fi­gen Dienst­ent­he­bung wäh­rend des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens nach § 38 BDG ruht die Mit­glied­schaft im Per­so­nal­rat (§ 30 BPersVG). Dies gilt auch, wenn im bereits vor Ein­lei­tung des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens die Füh­rung der Dienst­ge­schäf­te nach § 66 BBG ver­bo­ten wurde.

Mög­lich­kei­ten des Recht­schut­zes nach Ein­tritt der Rechts­kraft eines Urteils

Nach Vor­lie­gen einer rechts­kräf­ti­gen Ent­schei­dung kann der Beam­te die Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me nur im Wege der Wie­der­auf­nah­me des gericht­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens (§§ 71 ff. BDG), im Gna­den­we­ge (§ 81 BDG) oder durch Ver­fas­sungs­be­schwer­de (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 90 ff. BVerfVGG). Die Wie­der­auf­nah­me des durch rechts­kräf­ti­ges Urteil abge­schlos­se­nen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens ist zuläs­sig, wenn einer der in § 71 Abs. 1 BDG auf­ge­führ­ten Wie­der­auf­nah­me­grün­de und nach § 72 Abs. 1 BDG kein Unzu­läs­sig­keits­grund vor­liegt. Der Beam­te (und auch der Dienst­vor­ge­setz­te) kann den Antrag inner­halb einer Frist von drei Mona­ten nach Bekannt­wer­den des Wie­der­auf­nah­me­grunds bei dem Gericht ein­rei­chen, des­sen Ent­schei­dung ange­grif­fen wird. Wird im Wie­der­auf­nah­me­ver­fah­ren das ange­grif­fe­ne Urteil zu Guns­ten des Beam­ten auf­ge­ho­ben, erhält der Beam­te die Rechts­stel­lung, die er erhal­ten hät­te, wenn das auf­ge­ho­be­ne Urteil der Ent­schei­dung ent­spro­chen hät­te, die im Wie­der­auf­nah­me­ver­fah­ren ergan­gen ist ( § 76 Abs. 1 Satz 1 BDG). Dem Bun­des­prä­si­den­ten steht das Begna­di­gungs­recht in Dis­zi­pli­nar­sa­chen zu (§ 81 BDG). Die im Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren rechts- und bestands­kräf­tig ver­häng­ten Maß­nah­men und Neben­fol­gen kön­nen durch Aus­übung des Gna­den­rechts abge­mil­dert, umge­wan­delt oder erlas­sen werden.